Die Bewältigung von Herausforderungen wie einer Pandemie oder der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erfordert neue Ansätze für Philanthropie. Wir haben mit Dr. Peter Vogel diskutiert, welche Merkmale die NextGen auszeichnen, wie sie mit diesen Problemen umgeht und welche Strategien eingesetzt werden können, um philanthropischen Einfluss zu maximieren.
Bitte beachten Sie, dass die in diesem Interview geäußerten Ansichten vom jeweiligen Gesprächspartner und nicht im Namen von Rothschild & Co. geäußert werden. Das Interview wurde von Alexis Dias und Laura Künlen, Rothschild & Co Wealth Management Switzerland, geführt.
F1
Herr Professor Vogel, was sind die Merkmale und Eigenschaften der NextGen «von heute»?
Ein Versuch, Verallgemeinerungen über eine Generation zu treffen (Abbildung 1), ist immer schwierig, wenngleich sich unweigerlich bestimmte Trends abzeichnen. Wenn wir über Generationen sprechen, ist es wichtig, dass wir den Kontext berücksichtigen, in dem sie geboren wurden. Bei der Generation Z müssen wir zum Beispiel beachten, dass sie in eine ganz besondere Zeit hineingeboren wurde - das digitale Zeitalter. Die Generation Y («Millennials») hingegen ist in diese digitale Landschaft hineingewachsen. Ein wichtiger Faktor, der die Generationen unterscheidet, ist die Art und Weise, wie sie Informationen konsumieren und weitergeben. So werden heute in den Schulen Themen wie Krieg behandelt, die in meiner Kindheit überhaupt keine Rolle spielten. Auch ESG-Themen sind inzwischen fester Bestandteil in den Lehrplänen. Dieser Wandel ist bezeichnend - ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich als Kind über Umweltfragen so nachgedacht habe, wie es meine Kinder heute tun. Sie sagen Dinge wie: «Wir müssen das Wasser abstellen, weil sonst die Fische nicht mehr genügend Wasser haben». Heute werden solche Themen zu Recht früh angesprochen, um die Achtsamkeit der Kinder zu fördern und damit ihre Jugend und ihre Perspektiven grundlegend zu prägen. Dieser Wandel beeinflusst auch die Wahrnehmung von Kindern, die in vermögende Familien hineingeboren werden. Die Tatsache, dass sie (im Vergleich zu früheren Generationen) ein viel stärkeres globales Bewusstsein und ein Gefühl der Verantwortung (in manchen Fällen sogar der Schuld) haben, prägt ihr Denken und damit auch ihr Handeln. Und hier sehe ich die grösste Chance, wenn es darum geht, einige der wichtigsten systemischen Probleme der Welt anzugehen.
Abb.1: Überblick über die verschiedenen Generationen und ihre Geburtsjahre

Quelle: Vogel, Peter; Eichenberger Etienne; Kura, Malgorzata. Family Philanthropy Navigator. Lausanne, Switzerland: IMD, 2023.
Abb.1: Überblick über die verschiedenen Generationen und ihre Geburtsjahre


Quelle: Vogel, Peter; Eichenberger Etienne; Kura, Malgorzata. Family Philanthropy Navigator. Lausanne, Switzerland: IMD, 2023.
F2
In den nächsten 25 Jahren wird sich die Welt zu einer «Gesellschaft der Erben» entwickeln - derzeit gehen schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar von der Generation der Babyboomer an ihre Erben und gemeinnützige Organisationen über. Welche Empfehlungen haben Sie für diesen Übergang von Vermögen?
Vermögen hat zwei Seiten, eine gute und eine schlechte und diese sind untrennbar an die langfristige Vision einer Familie gebunden. Die blosse Übertragung von Vermögen ohne eine klare Zielsetzung ist im Grunde sinnlos. Wenn es jedoch einen klar definierten Zweck gibt und die Möglichkeit, sich in verschiedenen Bereichen wie Investitionen, Unternehmertum, Philanthropie und Beiträgen zum gesellschaftlichen Wandel zu engagieren, gewinnt Vermögen eine Bedeutung über den Geldwert hinaus. Wenn ich an Vermögen denke, denke ich an das gesamte Familienvermögen - das bedeutet viel mehr als nur Geld und Zahlen. Es steht für Menschen, Beziehungen, Wissen, Ansehen, Überzeugungen und natürlich auch Geld. Während finanzielle Vermögenswerte Schwankungen unterworfen sein können, kann die Dauerhaftigkeit nicht-finanzieller Aspekte einen erheblichen Einfluss nehmen, wenn diese richtig abgesichert und gepflegt werden. In puncto philanthropische Aktivitäten stellt die kontinuierliche Übertragung von Vermögen für die Menschen eine Chance, aber auch eine Bedrohung dar. Die Diskussionen innerhalb der Familien befassen sich zunehmend mit den negativen Auswirkungen von Reichtum, und viele Personen der nächsten Generation stellen den Zweck dieses Reichtums in Frage oder äussern ihre Abneigung dagegen, damit in Verbindung gebracht zu werden. Möglicherweise werden sie dabei von Initiativen wie der Kampagne «The Giving Pledge» beeinflusst, die von Bill Gates und Warren Buffett gegründet wurde und wohlhabende Menschen ermutigen soll, einen Grossteil ihres Vermögens für philanthropische Zwecke zu spenden. Die Landschaft hat sich im Vergleich zu vor 50 Jahren, als weniger junge Menschen mit philanthropischen Absichten grosse Vermögen erbten, erheblich verändert. Es gibt einige Stimmen, die sich besorgt über die mangelnde Vorbereitung und Strukturierung beim Übergang von Vermögen äussern. Für die nächste Generation ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie ihre Verantwortung methodisch angeht und zielgerichtete Entscheidungen trifft. Einige Mitglieder der nächsten Generation denken insbesondere über die Grenzen unseres Planeten nach und überlegen, wie sie wesentliche systemische Probleme angehen können - Herausforderungen, die für Bemühungen von Individuen einfach zu umfassend sind. Für die Erreichung sinnvoller Veränderungen sind ein langfristiger Horizont, flexibles unternehmerisches Kapital, eine globale Perspektive, Reputationskapital für die Vertretung von Interessen und ein Verständnis des politischen und rechtlichen Umfelds unerlässlich. Die nächste Generation möchte eine entscheidende Rolle beim systematischen Spenden und Aufbau von Partnerschaften übernehmen, um diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen.